16. Jul 2015

FDIS ISO 14001:2015 auf der Zielgerade

Aktuelle Entwicklungen in der Revision der ISO 14001:2015 sowie parallele Trends auf EU-Ebene

Mitte April konnte nach einer zusätzlichen fünftägigen Marathon-Verhandlungsrunde eine grundsätzliche Einigung erzielt werden. Nachdem in Tokyo im Februar 2015 von über 1.300 Kommentaren circa 350 abgearbeitet werden konnten, galt es nun in einem zusätzlichen Termin in London sicherzustellen, dass der Zeitplan für die ISO 14001:2015 Revision mit Publikation am 21.09.2015 eingehalten werden kann.

Dementsprechend hoch war der Druck, die Fülle an Kommentaren und neuen Vorschlägen durchzuarbeiten und zu einem internationalen Konsens zu gelangen. Bis zuletzt wurde verhandelt. Die qualityaustria Experten Thomas Szabo und Axel Dick haben Österreich vertreten und waren in London vor Ort. Weltweit sind circa 300.000 Organisationen davon betroffen, in Österreich über 1.000.

 

Weiterer Zeitplan

Der Entwurf der FDIS liegt nun vor und wird bis 1. Juli 2015 editiert. D. h. es geht jetzt nur noch um letzte sprachliche Feinheiten. Der FDIS liegt damit am 1. Juli vor. Eine Letztabstimmung erfolgt dann in Delhi/Indien Anfang September 2015. Damit ist der geplante Publikationstermin am 21.09.2015 möglich.

 

Wesentliche Erkenntnisse

Grundsätzlich folgt die ISO 14001:2015 auch der High Level Structure (HLS) wie die ISO 9001. Dies wird die Integration vereinfachen. Auch die zukünftige ISO 45001 (anstelle OHSAS 18001) wird dieser Struktur folgen.

Die Forderung nach einer Kontextanalyse für die Organisation (Kapitel 4) zielt darauf ab, die eigene Organisation konzeptuell und umfassender zu verstehen, z. B. hinsichtlich interner und externer Interessenspartner, ihre Bedürfnisse und Erwartungen, mögliche Einflussfaktoren zu erkennen. Der Kontext umfasst auch die Berücksichtigung des Umweltzustandes, denn dieser beeinflusst die Organisation und die Organisation beeinflusst durch seine Tätigkeiten, Produkte und Dienstleistungen wiederum den Umweltzustand. Der Kontext der Organisation ist eng zu sehen mit der internen Kommunikation. Während viele Unternehmen sich bis dato schon mit den internen und externen Zielgruppen bzw. Stakeholdern beschäftigt haben, zeigt eine aktuell laufende qualityaustria Umfrage, dass die Forderung den Umweltzustand in der Kontextanalyse mit zu berücksichtigen, insgesamt noch eine große Unklarheit herrscht, was damit gemeint sein könnte.

Das Topmanagement ist stärker gefordert, Leadership (Kapitel 5) zu zeigen, d. h. die Umweltaspekte sind in die Geschäftsprozesse, in die strategische Planung und Entscheidungsfindung zu integrieren. Die Rolle des Top-Managements wird stärker gewichtet, nicht nur durch die Vorbildwirkung, aktive Führungsrolle, sondern auch weil der klassische Umweltbeauftragte nicht mehr gefordert wird. In der Praxis wird es aber diesen dennoch geben, um die umfassenden und vielfältigen technischen, rechtlichen, normativen und ökologischen Anforderungen in der täglichen Praxis zu erfüllen.

Der risikobasierte Ansatz findet sich in Folge der High Level Struktur in der ISO 14001:2015. Allerdings wurde dieser Abschnitt zwischenzeitlich sprachlich geringfügig geändert und seit dem ISO Meeting im Februar in Tokyo hat man sich in Kapitel 6.1 wieder an die ISO 9001 angenähert. Das Wording „threats (Gefahren)“ wurde herausgenommen, das Kapitel heißt nun „Actions to adress risks and opportunities“. Dieser Ansatz umfasst dabei die Ermittlung von Risken und Chancen aus den Perspektiven Kontextanalyse, Umweltaspekte und –auswirkungen, rechtlichen Anforderungen sowie Notfallplanung.

Aus der Einhaltung von „Legal Requirements“ werden „Compliance Obligations“. Unter Compliance Obligations wird die Einhaltung von rechtlichen Anforderungen Auflagen sowie von freiwilligen Selbstverpflichtungen (Branchenvereinbarungen, Verträge, Ethische Standards) verstanden. Hier hat sich im Wesentlichen nur das Wording geändert, in der Praxis wird sich in der bisher geforderten Vorgehensweise im Rechtsmanagement nichts ändern.

Die Umweltleistung ist zu verbessern. Der Begriff ist im Grunde nicht neu. Umweltleistung ist das messbare Ergebnis des Managements der Umweltaspekte in einer Organisation. In der Revision spielen nun Indikatoren (Kennzahlen) eine Rolle. Als Kennzahl versteht man die messbare Darstellung des Zustandes oder Status eines Funktionsablaufes, des Managements oder von Bedingungen. Der Begriff Indikator (Kennzahl) wird mehrmals unter Punkt 9 Leistungsbewertung angeführt. Unter diesem Anforderungspunkt wird im Anhang gleichzeitig auf die ISO 14031:2013 verwiesen. Die ISO 14031 unterscheidet Leistungskennzahlen in Bezug auf Managementpolitiken und –programme, in Bezug auf die Einhaltung von Vorschriften, finanzielle Leistung korreliert mit der Umweltleistung, Leistungskennzahlen in Bezug zu den Beziehungen zur Gemeinde, operative Leistungskennzahlen und Umweltzustandsindikatoren.

Die Forderung Lebenszyklus Perspektive von Produkten und Dienstleistungen zieht sich als neue Forderung wie ein roter Faden durch die ganze Norm. Es wird zwar keine detaillierte Lebenszyklusanalyse im Sinn der ISO 14044 gefordert, es sind aber alle Lebensphasen zu betrachten und die Unternehmen müssen prüfen, inwieweit sie diese kontrollieren und beeinflussen können. Dies wird u.U. auf die Betrachtung der Umweltaspekte und Umweltauswirkungen rückkoppeln, wenn man nun auch versucht diese für alle Lebenszyklusphasen zu bestimmen. Damit könnte sich die Festlegung von signifikanten Umweltaspekten und relevanten Umweltauswirkungen verändern. Ebenso kann der lokale bzw regionale Umweltzustand diese Festlegung beeinflussen und zu einem anderen Bewertungsergebnis führen.

Bewusstseinsbildung und Kompetenz sind getrennte Unterkapitel in Kapitel 7 Support und werden damit zu früher auch aufgewertet.

Interne und externe Kommunikation gewinnen an Bedeutung. Die interne Kommunikation ist eng verknüpft mit dem internen Kontext, analog die externe Kommunikation mit dem externen Kontext. Die externe Kommunikation wird gefordert, um über den Dialog über die erreichten Umweltleistungen mit den externen Zielgruppen das Vertrauen zu fördern.

 

Kontext und Umweltzustand

Im Entwurf der ISO 14001:2014 Kapitel 4.1 „Verstehen der Organisation und ihres Kontextes“ heißt es: „Die Organisation muss externe und interne Themen bestimmen, die für ihren Zweck relevant sind und sich auf ihre Fähigkeit auswirken, die beabsichtigten Ergebnisse ihres Umweltmanagementsystems zu erreichen. Diese Themen umfassen Umweltzustände, die auf eine Organisation einwirken oder durch die Organisation beeinflusst werden.“ Daraus folgt, dass die Organisation sich in Zukunft auch fragen muss, einerseits welche Umweltfaktoren auf die Organisation einwirken, z. B. Klimawandel, Wasserknappheit und andererseits wie die Organisation wiederum die Umwelt durch seine Tätigkeiten, Produkte und/oder Dienstleistungen, z. B. durch Emissionen von Treibhausgasen, Wasserverbrauch beeinflusst. Damit werden aber Umweltzustandsindikatoren von Bedeutung, um die Ausgangssituation, den Einfluss auf die Organisation und die Auswirkung der Organisation auf den Umweltzustand entsprechend zu erfassen.

 

Lebenszyklusbetrachtung – Entwicklungen in der ISO 14001:2014 und auf EU-Ebene

Diese Anforderung zieht sich wie ein roter Faden durch die Norm. In 3.13 wird Lebensweg wie folgt definiert: Aufeinander folgende und miteinander verknüpfte Phasen eines Produktsysteme, von der Rohstoffgewinnung oder -erzeugung aus natürlichen Ressourcen, bis zur Behandlung am Ende der Lebensdauer. Die Betrachtung des Lebensweges wird im Anwendungsbereich (Abschnitt 1), bei Umweltaspekte (Kapitel 6.1.2) sowie bei der Planung und Steuerung der Umsetzung in Kapitel 8.1 adressiert. Allerdings wird keine detaillierte Ökobilanz gefordert. Eine einfache Betrachtung des Lebenszyklus ist ausreichend. Hier stellt sich die zentrale Frage, welche Schritte im Lebenszyklus können durch die Organisation kontrolliert bzw. beeinflusst werden? Diese Frage bekommt aber eine zusätzliche Dimension in der Zukunft, wenn man die aktuellen und zukunftsorientierten Bestrebungen auf Europäische Ebene gedanklich mitberücksichtigt.

 

EU Kommission - Zero Waste Initiative

Im Herbst 2015 ist einem neuen Vorschlag mit überarbeiteten Zielsetzungen zur Zero Waste Initiative zu erwarten. Hintergrund: Europa ist ein ressourcenarmer Kontinent. Daher wird an einer Strategie gearbeitet, Rohstoffe solange wie möglich im Wirtschaftskreislauf zu halten, auch nach dem ersten „Lebensabschnitt“. Wenn Abfälle wieder exportiert werden, gehen diese Rohstoffe auch wieder verloren. Neben der Zielrevision wird ein Aktionsprogramm mit einer Laufzeit von 2 bis 4 Jahren erwartet. Das Abfallrecht wird davon betroffen sein. Weitere Motive für eine Circular Economy (Kreislaufwirtschaft) sind:

  • Reduktion negativer Umwelteffekte
  • Ressourcenerschöpfung
  • Bewahrung der Biodiversität
  • Reduktion der Wasserverschmutzung

 

Das Strategiepapier sieht vier Achsen für eine Circular Economy vor:

  • Extraktion/Gewinnung der Rohstoffe
  • Produktdesign
  • Distribution
  • Abfallwirtschaft am Ende des Kreislaufes

 

Hinsichtlich Produktdesign gibt es drei Säulen:

  • Minimierung des Materialeinsatzes bei der Herstellung
  • Minimierung des Ressourcenverbrauchs in der Nutzung
  • Reparierfähigkeit

 

Eine zweite Entwicklung ist, dass die Ökodesign-Richtlinie nicht nur auf weitere Produkte ausgedehnt werden soll und damit in Zukunft auch B2B-Produkte erfassen soll, sondern neben dem Kriterium der Energieeffizienz auch Materialeffizienz berücksichtigt werden soll.

Die dritte Entwicklung kann mit „EU-Binnenmarkt für Grüne Produkte“ beschrieben werden. Es geht hier um den Product Environmental Footprint als Instrument der Konsumenteninformation. Daraus sollen sich in Zukunft Standards für Organisationen und Produkte ableiten. Neben den „klassischen“ Umweltwirkungskategorien wie Global Warming Potential Ozone Depletion Potential, ODP, Humantoxizität) sollen auch Feinstaub, Strahlung, Ressourcenerschöpfung (Wasser, fossil) berücksichtigt werden. 2013 wurden 27 Pilotprojekte gestartet, die 2016 finalisiert werden.

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