29. Apr 2022

Studienreport

Internet der Dinge als Treiber der Circular Economy

Nachhaltigkeit und Digitalisierung sind zwei langfristige Entwicklungen, die das Unternehmensumfeld wesentlich verändern. Erstens treiben der Klimawandel und die zunehmenden Erwartungen der Stakeholder*innen die Nachhaltigkeitsdiskussion in den Unternehmen voran und rücken sie in den Mittelpunkt der Unternehmenstätigkeit. 

So wurden laut einer Umfrage von PwC Strategy& im Jahr 2021 mehr Vorstandsvorsitzende für Nachhaltigkeitsmanagement (Chief Sustainability Officer) ernannt als in den fünf Jahren zuvor.1 Zweitens hat die digitale Transformation für europäische Unternehmen nach wie vor Priorität und kann für die Steigerung der Produktivität entscheidend sein. Wie eine Umfrage der Europäischen Investitionsbank (EIB) zeigt, sind Unternehmen, die mehr in die Digitalisierung investieren, innovativer und haben bessere Managementpraktiken. Darüber hinaus verfügen digitale Unternehmen in der Regel über mehr Managementsysteme und Ziele für Umweltstrategien.2

Zur Bewältigung der Herausforderungen im Bereich der Nachhaltigkeit ist der Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft (englisch: Circular Economy) eine sich abzeichnende Lösung für unsere derzeitige lineare Wegwerfwirtschaft.3 Die Circular Economy kann die Risiken von Unterbrechungen in der Versorgungskette verringern, neue Beschäftigungsmöglichkeiten bieten4, die lokale und regionale Wirtschaft fördern5 und zu einer höheren Energieeffizienz und Unabhängigkeit von Rohstoffen beitragen.6 Die Circular Economy wird durch die so genannten Kreislaufstrategien 1) Instandhaltung und Reparatur, 2) Wiederverwendung, 3) Wiederaufarbeitung und 4) Recycling umgesetzt. Diese Strategien ermöglichen den Übergang von der linearen Wirtschaft zur nachhaltigeren Kreislaufwirtschaft.

Die Verbindung von Kreislaufstrategien mit Digitalisierung – nämlich „Smarte Zirkuläre Strategien“7 – nutzt smarte Produkte im Internet der Dinge (IoT), um beispielsweise die Produktverfügbarkeit im Betrieb sowie deren Rücknahme zu optimieren. Für eine nachhaltige und ressourcenschonende Wirtschaft gilt es, diese smarten zirkulären Strategien praxistauglich zu gestalten. Um diesen interdisziplinären Themenkomplex für Unternehmen zugängig zu machen, vereinbarten Dr. Anni Koubek, Prokuristin für Innovation und Business Development der Quality Austria - Trainings, Zertifizierungs und Beratungs GmbH, und Univ-.Prof. Dr. Erik Hansen, Leiter des Stiftungsinstituts für Integrierte Qualitätsgestaltung (IQD), ein Auftragsforschungsprojekt. Seitens der Quality Austria wurde das Projekt auch von DI Axel Dick, Prokurist für Business Development Umwelt und Energie, begleitet.

Hier Studie downloaden!

Unter der Leitung von Andres Alcayaga wurde im März 2022 der Studienbericht Internet of Things Enabling the Circular Economy: An Expert Study of Digitalisation Practices in B2B Firms 8 veröffentlicht. Die Studie basiert auf Interviews mit insgesamt 43 Expert*innen aus 27 Unternehmen aus der DACH-Region, insbesondere Österreich. Ziel der Befragungen war es, smarte zirkuläre Strategien zu systematisieren und Best-Practices zu identifizieren (siehe Abbildung 1).

Abbildung 1: Best-Practices-Framework für smarte Zirkularität; Copyright: Andres Alcayaga, Erik G. Hansen

Im Kern des Modells stehen Ziele und die zur Anwendung der smarten zirkulären Strategien notwendigen Prozesse, die nachfolgend dargestellt und erläutert werden:

  • Smart Use: Firmen wissen oft nicht, wie Kund*innen ihre Produkte nutzen. Um dies zu verstehen, muss ein System zur kontinuierlichen Erfassung der Nutzungsdaten etabliert werden, um letztlich die Nutzungserfahrung verbessern zu können. Dies ist besonders bei langlebigen Produkten wie Baumaschinen essentiell.
  • Smart Maintenance/Repair: Die Durchführung von präventiven Reparaturen, prädiktive Instandhaltung und ein solides Ersatzteilmanagement führen z. B. zur Optimierung der Betriebszeit. Beispielsweise wird bei Baumaschinen für Kund*innen die Abnutzung erfasst, und darauf basierend, die verbleibende Nutzungsdauer geschätzt. Zudem sollten Basis-Ersatzteile für diese Maschinen stets auf Lager sein.
  • Smart Reuse: Das Kaufverhalten sollte genau erfasst und die Produkte mit digitalen Komponenten wie RFID-Tags ausgestattet werden, um die Rücknahme und Wiedervermarktung zu optimieren. Beispielsweise können bei einer gewerblichen Textilien-Vermietung bei Abholung der Textilien Menge und Zustand digital erfasst werden. Je nach Abnutzung werden sie automatisch entweder der Reparatur-Abteilung oder gleich zur Waschung, Aufbereitung und erneuten Nutzung zugeteilt.9
  • Smart Remanufacturing: Der Zustand der Produkte sollte überwacht und die Produkthistorie erfasst werden, um den optimalen Zeitpunkt für eine Wiederaufbereitung zu berechnen. Beispielsweise analysiert ein Wälzlager-Hersteller basierend auf Sensoren den Abnutzungsgrad des Lagers, tauscht das gebrauchte Lager bei Kund*innen frühzeitig aus bevor größere Schäden entstehen und kann das entnommene Lager dann optimal wiederaufbereiten und dessen Lebensdauer verlängern.
  • Smart Recycling: Recyclingprozesse werden durch bessere digitale Charakterisierung der Produkte und damit verbundener IoT-Technologien optimiert, um die Qualität von Sekundärrohstoffen zu erhöhen. Insbesondere digitale Produktpässe werden in einer steigenden Anzahl von Branchen und Produktklassen (z. B. Produktpass für Autobatterien in der EU Batterienverordnung10)
    für das Recycling relevant, in denen bspw. die Materialien des Produkts und entsprechende Behandlungsmethoden gespeichert sind.
  • Smart Cross-Strategy Capabilities: Als Fundament zur Umsetzung der smarten zirkulären Strategien müssen Firmen in digitale Basis-Software und (partiell) in Infrastrukturen investieren. Ein Produktlebenszyklusmanagement (PLM) mit einer soliden Produktdatenverwaltung über den gesamten Produktkreislauf ist zentral. Die Produktverwaltung muss sowohl statische (z. B. Produktdesign) als auch dynamische (z.B. Nutzungshistorie, Reparaturen, Upgrades) Informationen verarbeiten, was im Rahmen von digitalen Produktpässen zunehmend adressiert wird.

Durch die Etablierung smarter zirkulärer Strategien können Unternehmen nicht nur Vorteile wie Kostenersparnisse, Differenzierung bzw. Qualitätsführerschaft, Service-Exzellenz und neue Märkte für sich generieren, sondern auch einen Beitrag zu einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft leisten. So entsteht durch smarte Zirkularität eine Win-win-win Situation für Unternehmen, Gesellschaft und Umwelt.

Autoren

Andres Alcayaga, MSc

Research Associate
Institute for Integrated Quality Design (IQD) der JKU in Linz

E-Mail

Univ.-Prof. Dr. Erik G. Hansen

Head of
Institute for Integrated Quality Design (IQD) der JKU in Linz

E-Mail

Weiterführende Literaturempfehlungen:

Quellen:

  1. PwC Strategy& (2022). Empowered Chief Sustainability Officers. The key to remaining credible and competitive.
  2. European Investment Bank (EIB) (2021, Juli). Digitalisation in Europe 2020-2021: Evidence from the EIB Investment Survey. European Investment Bank.
  3. Ellen MacArthur Foundation. (2013). Towards the Circular Economy Vol.1: Economic and business rationale for an accelerated transition. Ellen MacArthur Foundation.
  4. Stahel, W. R. (2010). The performance economy (2nd Ed.). Palgrave Macmillan.
  5. Ghisellini, P., Cialani, C., & Ulgiati, S. (2016). A review on circular economy: the expected transition to a balanced interplay of environmental and economic systems. Journal of Cleaner Production, 114, 11–32. 
  6. Cooper, D. R., Ryan, N. A., Syndergaard, K., & Zhu, Y. (2020). The potential for material circularity and independence in the U.S. steel sector. Journal of Industrial Ecology, 24(4), 748–762. 
  7. Alcayaga, A., Wiener, M., & Hansen, E. G. (2019). Towards a framework of smart-circular systems: An integrative literature review. Journal of Cleaner Production, 221, 622-634.
  8. Alcayaga, A., & Hansen, E. G. (2022): Internet of Things Enabling the Circular Economy: An Expert Study of Digitalisation Practices in B2B Firms (IQD Research 2022, No. 1). Institute for Integrated Quality Design (IQD), Johannes Kepler University Linz (JKU).
  9. Alcayaga, A., Geyerlechner, H., & Hansen, E. G. (2021). IoT-Driven Reuse Business Models: The Case of Salesianer Textile Rental Services. In A. Aagaard, F. Lüdeke-Freund & P. Wells (Hrsg.), Business Models for Sustainability Transitions (S. 251–271). Palgrave Macmillan.
  10. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV). (2021). Der BMU Design-Sprint zum Digitalen Produktpass für die Elektromobilität. 

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