28. Jan 2016

Statistik für Industrie, Wirtschaft und Technik

Ein Gespräch mit unserem Produktexperten DI Michael Lucyshyn zur überarbeiteten Lehrgangsreihe Statistik für Wirtschaft, Industrie und Technik ST/Qll

Quality Austria: Im April starten die ersten Module der überarbeiteten Lehrgangsreihe Statistik für Industrie, Wirtschaft und Technik - was hat sich geändert?
Michael Lucyshyn: Wo soll ich anfangen…? Wir können Statistik als eine Möglichkeit verstehen, von Daten zu lernen. Wenn wir diese Möglichkeit ernst nehmen wollen, gehört, denke ich, ein häufig zu sehendes Bauprinzip von Statistiktrainings umgedreht. Dieses Prinzip lautet zirka so: “Zuerst die Theorie - und wenn wir die Theorie verstehen, dann schauen wir, wo wir sie anwenden können.”

Quality AustriaUnd wie soll man sich dieses Umdrehen vorstellen?  
Michael Lucyshyn: Wie bei einem Ozeandampfer: Langsam und träge.

Quality AustriaAha?
Michael Lucyshyn: Nein! Es sind ein paar einfache “Handgriffe”. Am Anfang steht die Frage: Warum sammeln wir überhaupt Daten? Das ist die Frage nach der zu Grunde liegenden Motivation. Sicher, man könnte darauf sagen: “Weil die Norm…etc etc”. Aber ich unterstelle jetzt einmal: Die wirkliche Motivation ist, dass wir auf dieser Daten-Basis Handlungen setzen wollen. In unserem Kontext von “Industrie, Wirtschaft und Technik” werden das Aktivitäten sein, die auf Erkenntnis und in Folge auf Verbesserung abzielen. Diese Grundmotivation ist der Ausgangspunkt der Überarbeitung.

Quality AustriaMotivation ist aber noch kein Umdrehen?   
Michael Lucyshyn: Nein - eins zu null. Das Herumdrehen steckt im “Am Anfang steht die Frage”: Wenn wir zu Beginn die Theorie servieren, dann tischen wir zuerst eine Antwort auf - und “lenken” danach zu geeigneten Fragen. Das ist aber ein bisserl wie “Ihr könnt jede Farbe haben, solange sie schwarz ist”. Im ersten Modul zum Beispiel beschäftigen wir uns mit der Frage, wie wir mit Daten einen Prozess beschreiben, ihn charakterisieren können. Schon bei der Suche nach Antworten auf diese Frage stoßen wir auf einige praktische statistische Ideen. Und dann auf weitere Fragen, die uns dazu führen, weitere Methoden zu suchen und zu finden und so fort. Diese geänderte Perspektive bewirkt auch eine andere Reihenfolge und Gewichtung in der Präsentation statistischer Werkzeuge.
Wichtig ist dabei, ausgehend von praktischen Beispielen und Simulationen ein Verständnis für den Wirkmechanismus dieser Konzepte zu entwickeln - und dafür, wie sie alle zusammenhängen: Wie können wir Daten so zu Information verarbeiten, dass sie eine relevante Geschichte über Produkt und Prozess erzählen? Daraus folgen die weiteren Fragen nahezu “von selbst”: Wie lässt sich Prozess-Fähigkeit beschreiben? Was heißt es, wenn ein Prozess stabil ist - und warum macht das eine ohne das andere keinen Sinn? Was sagt uns die R&R Kennzahl? Was können wir mit Stichproben machen, was steckt hinter dem AQL-Stichproben-System und warum kann es uns in die Irre führen? Wie unterscheiden sich Stichproben, was soll ein p-Wert sein und warum ist er überbewertet etc.
Die Mechanismen dahinter sind ja in Wahrheit nicht schwer. Erst, wenn wir sie mit ein paar Integralen verzieren und mit dem Verweis auf Normen garnieren, werden sie plötzlich zu etwas Mystischem, zu einem Kisterl mit Glaubensartikeln drinnen, die man bei Bedarf herunterbeten kann.

Quality AustriaDie neuen Module sind kompakter - wurde da bei den Inhalten gespart oder erwarten wir von den Teilnehmern mehr Vorkenntnisse? 
Michael Lucyshyn: Zweimal nein. Wesentlich ist wieder die Erarbeitung der Inhalte aus einer etwas anderen Perspektive. Der erste Teil STPS mit seinen zwei Modulen befasst sich mit der Charakterisierung von Prozessen und wie man aus Daten Ideen über Verbindungen zwischen Prozess-Ergebnissen und Einflussfaktoren gewinnen kann. In diesem ersten Teil finden sich die Inhalte der Lehrgänge STL, STM, STD und QIIM. Der QIIM-Teil ist deshalb hier “hereingerutscht”, weil es in meinen Augen sinnlos ist, eine Prozess-Charakterisierung durchzuführen, ohne sich auch Gedanken über die Messunsicherheit zu machen. Die Themen “Statistische Versuchsplanung” und “Zuverlässigkeit” bleiben als eigenständige Module bestehen und werden überarbeitet - allerdings planen wir die ersten öffentlichen Termine dafür erst 2017.

Die Kompaktheit ergab sich einerseits durch das Entfernen von Doppelgleisigkeiten, die in einigen Modulen nach der alten Struktur zu finden waren. Dazu kommt noch, dass es nicht sehr viele Grundprinzipien sind, die man verstehen muss. Wenn man die einmal bei der Hand hat, “klickt´s” bei den darauf aufbauenden Dingen sehr schnell.  Außerdem werden wir so oft wie möglich nötige Rechenarbeiten an Software delegieren. Dann können wir uns mehr mit den Mechanismen, Interpretationen und Grenzen der vorgestellten statistischen Konzepte auseinander setzen. Die Lehrgangsreihe heißt ja “Statistik für…” und nicht “Statistik. Punkt.”.

Quality AustriaBilden wir Knopferldrücker-Statistiker aus?
Michael Lucyshyn: Nein. Die Werkzeuge, die wir uns ansehen und die wir ausprobieren, sollen uns dabei helfen, sinnvolle Fragen an einen Prozess, einen Vorgang zu stellen. Aus den Antworten, die er uns gibt, wollen wir etwas über ihn in Erfahrung zu bringen, das uns weiterhilft. Wir könnten die Zeit im Lehrgang dazu verwenden, Formeln zu pinseln. (Natürlich, wenn jemand partout wissen will, wie man die Wahrscheinlichkeitsfunktion der Poisson-Verteilung als Limit der Binomial-Verteilung herleitet, kann man das gern bei einem Häferl Kaffee in einer Pause auf der nächstgelegenen Serviette durchspielen.) Aber diese Zeit verwende ich viel lieber, eine Intuition für die Prinzipien und vor allem für den Zweck zu entwickeln, die in einer Formel drinnen stecken. Das funktioniert sehr gut, wenn man die Möglichkeit hat, zu experimentieren. Dabei können wir den Formeln sozusagen bei der Arbeit zuzusehen. So kann man sich auch sparen, jedem statistischen Werkzeug ein Merksprücherl aufzupicken.

Quality AustriaAber es ist doch hilfreich, sich etwas zu merken! 
Michael Lucyshyn: Echt? Na gut. Aber ist es auch ausreichend? Und was suggeriere ich, wenn ich jemand eine Esels-Brücke hinnagle? Lieber wäre mir, wenn man nach dem Besuch eines Moduls am nächsten Tag im eigenen Umfeld Lust und Selbstvertrauen hat, mit den vorgestellten Ideen zu experimentieren: In der Anwendung, im Erleben von Überraschungen, durch Erfolge und wahrscheinlich noch mehr durch Misserfolge versteht man und merkt man sich die wichtigen Dinge. Darum wird zum Erlangen des Zertifikates auch der Nachweis der praktischen Anwendung gefordert.

Quality AustriaThemenwechsel. Stichwort: “Big Data”…


…Fortsetzung folgt…

Autor

Netzwerkpartner*in

Herr DI Michael Lucyshyn

Netzwerkpartner, Produktexperte Six Sigma und Statistik

Ansprechpartner

Team

Frau Mag. Dr. Anni Koubek

Prokuristin Branchenmanagement Medizinprodukte

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