04. Jul 2016

Innovation mit Qualität

Zukunft gestalten mit der ISO 9001:2015

Qualitätsmanagement und Innovation sind nicht in jedem Unternehmen ein synergetisch arbeitendes Paar. Ist doch die Zusammenarbeit durch anscheinende Zielkonflikte beherrscht. Durch Innovation sollen neue Produkte möglichst rasch den Kunden und Märkte erreichen: Es sollen neue, oft radikale Lösungen erprobt werden, welche möglichst früh vom Kunden direkt getestet oder eingesetzt werden sollen. Qualitätsmanagement hingegen baut auf fähige Prozesse, auf Rechtssicherheit, auf die Fähigkeit, dauerhaft die Anforderungen der Kunden erfüllen zu können. 

In manchen Unternehmen werden Kreativschmieden örtlich oder organisatorisch abgeschirmt, damit nicht durch zu frühes Aufzeigen von Problemstellen und offenen Fragen der Mut zur Veränderung verloren geht. Die heutige Geschäftswelt ist jedoch von einer zunehmenden Dynamik und Komplexität geprägt. Produktlebenszyklen werden kürzer, technologische Veränderungen und Innovationen prägen unser Leben in allen Bereichen. Gleichzeitig stehen wir am Anfang der nächsten technologischen Veränderung durch die zunehmende Vernetzung und Digitalisierung aller Lebensbereiche. Nur wenn ein Unternehmen die Fähigkeit besitzt, gleichzeitig Veränderungen voranzutreiben und stabile Prozesse zu gestalten, kann es erfolgreich in der heutigen Geschäftswelt agieren.

 

Ansatz der ISO 9001:2015

Wie geht nun die ISO 9001:2015 mit den Herausforderungen einer globalen, dynamischen und komplexen Welt um – welche Anknüpfungspunkte gibt es zum Themenfeld Innovation und Innovationsmanagement? Und wie wird das Spannungsfeld Stabilität vs. Veränderlichkeit darin behandelt? Das zuständige ISO-Fachkomitee begann die Arbeit an der Revision zur ISO 9001:2015 mit der Erstellung von Zukunftskonzepten. Nutzerbefragungen wurden durchgeführt und resultierten in einer Spezifikation für die neue Norm, die festhielt, dass in der Überarbeitung sichergestellt werden sollte, dass Veränderungen in den zunehmend komplexen, anspruchsvollen und dynamischen Umgebungen, in denen Organisationen tätig sind, reflektiert werden. Dazu wurden einige Elemente mit Bedeutung für Innovationen neu in die Norm eingefügt, andere wurden weiterentwickelt:

 

Berücksichtigung des Kontextes der Organisation

In der Vergangenheit fokussierte sich die ISO 9001 in Bezug auf das Umfeld primär auf die Steuerung der Wertschöpfungskette. Konkrete Anforderungen in Bezug auf Kunden und Lieferanten waren immer schon ein Kernanliegen der Norm. Zur Sicherstellung der Veränderungsfähigkeit ist dies in den heutigen Marktbedingungen nicht ausreichend. Entsprechend finden sich nun neue Anforderungen in der Norm, die fordern, dass die Organisation interne und externe Themen bestimmt, die für ihren Zweck und ihre strategische Ausrichtung relevant sind und sich auf ihre Fähigkeit auswirken, die beabsichtigten Ergebnisse ihres Qualitätsmanagementsystems zu erreichen. Dies sind Themen wie z. B. Technologien, gesellschaftliche Änderungen, gesetzliche Veränderungen, die eigene Leistungsfähigkeit, Unternehmenskultur, etc.

 

Ausrichtung an der Strategie

Neu ist auch die klare Forderung nach einer Ausrichtung des Qualitätsmanagementsystems an der Strategie der Organisation. Schon bei der Bestimmung der Umfeldbedingungen wird gefordert, dass strategisch relevante Themen zu berücksichtigen sind. Auch wird eine Konsistenz des Systems eingefordert, indem Politik und die Ziele mit dem Kontext und der strategischen Ausrichtung der Organisation vereinbar sind; dieser Abgleich ist als Aufgabe der Geschäftsleitung zugewiesen, die entsprechend dazu auch regelmäßige Bewertungen durchführen und Weiterentwicklungen anstoßen muss. Die strategische Ausrichtung ist jedoch auch auf der operative Ebene zu berücksichtigen: So umfasst z.B. der prozessorientierte Ansatz die systematische Festlegung und Steuerung von Prozessen und deren Wechselwirkungen, so dass die angestrebten Ergebnisse mit der Politik und der strategischen Ausrichtung der Organisation übereinstimmen.

 

Risiken und Chancen identifizieren

In einer komplexen Welt von Veränderungen sind oft nicht alle notwendigen Information in Bezug auf die Einschätzung von Themen vorhanden. Entsprechend bestehen Risiken – das heißt Ungewissheiten, die positive aber auch negative Folgen verursachen können. Genau an dieser Stelle setzt die neue ISO 9001:2015 an und spricht davon, dass in der Organisation „risikobasiertes Denken“ verankert werden muss. Diese Forderung zum risikobasierten Denken hat eine teilweise Reduzierung der präskriptiven Anforderungen und deren Ersatz durch leistungsorientierte Anforderungen ermöglicht. Konkret spiegelt sich das durch eine höhere Flexibilität als in der ISO 9001:2008 in den Anforderungen an Prozesse, dokumentierte Information und Verantwortlichkeiten der Organisation wider – ein willkommenes Plus für innovative veränderungsfreudige Organisationen! Zusätzlich wird auch die systematische Behandlung von Chancen adressiert. Hier spiegelt sich in der Norm die Verbindung auch zu möglichen Innovationsfeldern wider: „Chancen können zur Übernahme neuer Praktiken führen, zur Markteinführung neuer Produkte, zur Erschließung neuer Märkte, zur Neukundengewinnung, zum Aufbau von Partnerschaften, zum Einsatz neuer Techniken, …“.

 

Veränderungen managen

Auch Change Management wird in der Norm angesprochen. Während in der Vergangenheit der Fokus auf Stabilität bzw. konkret auf dem Aufrechterhalten der Integrität des Qualitätsmanagementsystems lag, werden nun konkrete Vorgaben gestellt, wie eine Veränderung systematisch umgesetzt werden muss – durch Planung unter Berücksichtigung von Verantwortungen, Ressourcen und der Betrachtung von Folgen der Änderungen.

 

Systeme – auch radikal – verbessern

Der Begriff „fortlaufende Verbesserung“ wurde auch in der Vergangenheit unterschiedlich gebraucht. Während manche den Begriff so interpretierten, dass die Organisation mit verschiedensten Ansätzen fortlaufend an Verbesserungen arbeitet – und damit auch große Veränderungen mit umfasst waren, gab es in der Praxis meist die Interpretation „kontinuierlicher Verbesserungsprozess“ (KVP), also ein Prozess, in dem Verbesserungsansätze, die sich aus der täglichen Praxis ergeben, systematisch in Umsetzung gelangen. Ein derartiger Prozess umfasst typischerweise weder Innovation oder strategisches Change Management. Nun wird klargestellt, dass eine Organisation alle Ansätze verfolgen muss, die notwendig sind, damit Produkte und Services den Anforderungen entsprechen und damit auch zukünftige Erfordernisse und Erwartungen erfüllt werden können. Konkret werden als Beispiele Korrektur, Korrekturmaßnahmen, fortlaufende Verbesserung, bahnbrechende Veränderung, Innovation und Umorganisation in der Norm angeführt.

 

Produkte und Dienstleistungen entwickeln

Innovation von Produkten und Dienstleistungen mündet in Entwicklungstätigkeiten. In der Vergangenheit haben einige Organisationen dieses Thema aus ihrem Anwendungsbereich pauschal ausgeschlossen. Die Norm war hier eher präskriptiv und es war mühsam, sie mit kreativitätsorientierten oder dynamischen Entwicklungsmodellen in Einklang zu bringen. Nun wurden einerseits die Anforderungen zur Entwicklung diesen Umständen entsprechend verändert und gleichzeitig aber auch Ausschlüsse aus der Norm nicht mehr gestattet. Um die Anwendbarkeit der neuen Anforderungen zu prüfen, muss sich die Organisation damit detailliert auseinandersetzen. Also ein guter Zeitpunkt, sich systematisch mit dem Thema auseinanderzusetzen.

 

Qualitätsmanagementsysteme zum Nutzen der Organisation

Kontext, Strategie, Stakeholder, Chancen und Risiken – das ist die Sprache des Geschäftes. In diesem Rahmen muss ein Qualitätsmanagementsystem die Organisation und ihre Führung darin unterstützen, dass die Kundenanforderungen erfüllt und die Kundenzufriedenheit erhöht wird. Eine gute Nachricht für alle Qualitätsmanager, für die das QM-System ein zukunftsorientiertes Gestaltungselement ist. Durch die erweiterten Anforderungen im Zusammenhang mit der Verpflichtung der obersten Leitung werden Qualitätsmanager darin gestärkt, ihre Strategie weiterzuverfolgen.

 

Wo bleibt der Begriff Innovation?

Die ISO 9001:2015 geht sehr sparsam mit dem Begriff „Innovation“ um. Innovation wird als eine Methode oder Art der Verbesserung angeführt. „Die beständige Erfüllung der Anforderungen und die Berücksichtigung zukünftiger Erfordernisse und Erwartungen stellen eine Herausforderung für Organisationen in einer zunehmend dynamischen und komplexen Umgebung dar. Zum Erreichen dieses Ziels kann es für die Organisation notwendig sein, zusätzlich zur Korrektur und fortlaufenden Verbesserung, verschiedene Formen der Verbesserung, z. B. bahnbrechende Veränderung, Innovation und Neuorganisation, einzuführen.“ (ISO 9001, Abschnitt 0.1, Einleitung).

Betrachtet man jedoch die konkreten Anforderungen, sieht man, dass die ISO 9001:2015 in vielen Bereichen konkrete Anforderungen zur Erneuerung von System, Prozessen, Produkten und Dienstleistungen und auch Veränderungen wie z.B. Geschäftsmodellen stellt. Ebenso werden typische Phasen des Innovationsmanagements angesprochen: z. B. Beobachten der Veränderungen von Kundenerwartungen oder Technologische Veränderungen (Kontext), Adressierung von „zukünftigen Kundenanforderungen“, Planung von Veränderungen, Produkt- und Dienstleistungsentwicklung, Betrachtung von Risiken und Chancen, Produkt/Dienstleistungstests (Verifizierung und Validierung in der Normsprache), etc.

Eine intensivere Auseinandersetzung der beiden Fachwelten wäre sinnvoll, um hier eine gemeinsame Sprache zu finden und Organisationen mit der richtigen Kombination der beiden Welten auf Ihrem Weg zum Erfolg bestmöglich zu unterstützen. Qualität und Innovation sind kein Widerspruch, sondern – im heutigen Geschäftsumfeld – stark überlappende Themen, die nur gemeinsam sinnvoll im Unternehmen umgesetzt werden können.

Autorin und Ansprechpartner

Team

Frau Mag. Dr. Anni Koubek

Prokuristin Branchenmanagement Medizinprodukte

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