05. Apr 2022

Neue Mindsets: das A und O

Über Kultur, Resilienz und Agilität

Die vergangenen 24 Monate haben bereits angelaufene Trends beschleunigt und ein weiteres Mal unterstrichen, wie wir uns in einer VUCA-Welt sehr plötzlich – aktiv oder passiv – auf Unvorhergesehenes hin adaptieren müssen.

Wir haben uns mit Mag. Dr. Anni Koubek, Prokuristin Innovation, Business Development Zertifizierung Qualität und DI Michael Lucyshyn, Netzwerkpartner, Produktexperte Six Sigma und Statistik in einem Frühlingsgespräch über Unternehmenskultur, Qualität und neue Denkweisen unterhalten.

Das Thema der Unternehmenskultur ist aktuell mehr denn je im Fokus. Das ist mitunter auf die Pandemie zurückzuführen, da der persönliche Austausch nicht mehr in dem Ausmaß wie zuvor gegeben ist und eine bewusste Auseinandersetzung mit Kommunikation, Fehlerkultur und Inklusivität ins Licht gerückt ist. Welche anderen Auslöser erkennen Sie?

Mischa Lucyshyn: Die Generationen Y und Z stellen ebenso immer häufiger die Kulturfrage in den Mittelpunkt. Vielen Unternehmen fällt es schwer, genau diese Zielgruppen bei der Personalsuche anzusprechen, da Gen Y und Gen Z bewusst nach Unternehmenskulturen suchen, in denen sie sich über die unmittelbaren betriebswirtschaftlichen Notwendigkeiten hinaus sinnvoll entfalten können, in ihrem Anspruch auch positiv wahrgenommen werden sowie die Möglichkeit und das Vertrauen bekommen, Dinge umzugestalten.

Anni Koubek: Der Digitalisierungsschub führte auch zu einem Culture Clash zwischen den Generationen. Jungen Menschen kommen unter anderem die fragmentierten Arbeitsmodi, flexiblen Arbeitszeiten und Homeoffice sehr entgegen. Gleichzeitig sind sie möglicherweise frustriert, wenn die gewohnte Flexibilität oder Schnelligkeit in der Kommunikation in Unternehmen nicht stattfindet. Ältere Menschen kommen aber vielleicht mit dem neuen Tempo bzw. den Technologiesprüngen nicht mit.

Unternehmen müssen sich also für beide Zielgruppen überlegen, wie man eine gemeinsame Kultur schafft, die die unterschiedlichen Arbeitsweisen unterstützt und eine Kultur des permanenten Lernens und Weiterlernens fördert.

Mischa Lucyshyn: Beim Thema des permanenten Lernens ist auch das „aus Fehlern lernen“ im Sinne der Fehlerkultur hier gleichermaßen wichtig wie schwierig, da einerseits von Kund*innen- bzw. Marktseite ein berechtigter Anspruch auf Fehlerfreiheit besteht, andererseits diese Erwartungshaltung von Mitarbeitenden in eine geringe Fehlertoleranz übersetzt wird, die Fehler dämonisiert und Schuldzuweisungsmechanismen aktiviert. Das Mindset gehört hier dahingehend modifiziert, dass Fehler einerseits als Chance wahrgenommen werden, etwas zu lernen, andererseits dieser Lernvorgang gleichermaßen gefordert wie unterstützt wird: Es geht also nicht um billiges Laissez-Faire, sondern um die Schaffung eines Bewusstseins, das Fehler erkennt, daraus lernt und damit zukünftige Verbesserungen in die Wege leitet.

Sie sprechen von geänderten Mindsets und neuen Werten. Was genau können wir darunter verstehen? Welche Aspekte fallen darunter?

Mischa Lucyshyn: Man könnte, angelehnt an etwa „behaviour based safety“, ein im angelsächsischen Raum diskutiertes Konzept der „behaviour based quality“ herausgreifen. In diesem Konzept wird der Fokus auf das beobachtbare Verhalten gelegt – ein weiterer Aspekt dessen, was Ed Schein in seinem Kulturmodell die „Artefakte“ genannt hat. Dieses Verhalten wird in diesem Modell im Qualitätskontext in drei Kategorien bzw. Kernelementen untersucht: (1) Compliance, (2) Verbesserung und (3) Prävention.

1. Bei Compliance ist dabei – in Anlehnung an das agile Manifest – nicht nur das Einhalten von Prozeduren gemeint, sondern dass die Ergebnisse den Wünschen der Kund*innen entsprechen. Alles ist darauf ausgerichtet, den bestmöglichen Service bzw. das bestmögliche Produkt zu liefern. Spinnen wir diesen Faden weiter, bedeutet das auch eine große Veränderung im Mindset aller Mitarbeitenden in einem System: Was bedeutet Qualität eigentlich? Was wird von mir als Mitarbeiter*in und/oder Manager*in erwartet, welche Entscheidungsmöglichkeiten und Kompetenzen habe ich? Wie und mit wem und auf welche Weise kann oder muss ich kooperieren, um diesem Anspruch gerecht werden zu können?

2. Eine Verbesserungskultur ist dann vorhanden, wenn bei allen innerhalb einer Organisation so etwas wie ein innerer Antrieb da und im täglichen Verhalten beobachtbar ist, Dinge laufend besser machen zu wollen - und nicht „gerade gut genug“. Wir sollten uns in einer gelebten Verbesserungskultur am Ende des Tages vor dem Spiegel die folgende Frage stellen und ehrlich beantworten: „Was haben wir heute besser gemacht?“ Diese Denkweise wird wiederum von bestimmten Verhaltensweisen, etwa an einem gewissen Umgangston, der jeweiligen hierarchischen Struktur, einer offenen Fehlerkultur oder an einer Überlappung zu agilen Werten wie Offenheit, Respekt und Mut, gefördert.

3. Das dritte Element in diesem Konzept ist jenes der Prävention. Also wie kann ich verhindern, dass negative Dinge passieren? Diese Frage zieht auch Verhaltensanforderungen mit sich, etwa dass in Unternehmen der Rahmen geschaffen wird, Dinge anzusprechen und Verbesserungspotenziale aufdecken zu können – ohne Angst vor eventuellen negativen Konsequenzen für die eigene Person: Wer kennt es nicht, das vielzitierte Schicksal der Überbringer*innen schlechter Nachrichten?

Anni Koubek: Dabei stellt sich auch die Frage, wie man mit Problemen im Qualitätskontext umgeht. Im Qualitätsmanagement sprechen wir häufig von Korrektur- bzw. Präventionsmaßnahmen oder dem risikobasierten Denken. Die Werkzeuge sind gut etabliert, wenn man diese nutzt. Aus meiner Sicht wäre hier „risikobasiertes Handeln“ das treffendere Wording: Man muss laufend Konsequenzen aus den eigenen Handlungen ziehen – das ist vielleicht anstrengend, aber ein Asset, das Systemmanager*innen im Qualitäts-, Umwelt- oder Sicherheitsbereich benötigen. Fehler sollen immer in Lernchancen umgemünzt werden.

Was können Unternehmen tun? Welche Weiterbildungsschwerpunkte setzen Sie innerhalb der Quality Austria?

Anni Koubek: Agilität bzw. damit verbundene Kulturaspekte werden etwa in unserer Grundausbildung zur*zum Qualitätsmanager*in oder unseren Refreshings behandelt, denn an Agilität führt kein Weg mehr vorbei. Dafür benötigt es eine gewisse Unternehmenskultur, kurze Entscheidungswege und flache Hierarchien, die keine ständigen Freigaben „von oben“ voraussetzen. Die Verantwortlichkeiten sollten bei den Personen liegen, die letztendlich auch mit den Kund*innen zu tun haben und deren Bedürfnisse am besten kennen. Nur so kann kund*innenzentriertes Arbeiten im Qualitätsmanagement stattfinden.

Mischa Lucyshyn: Ende des Jahres planen wir zudem eine QM-Werkstatt, die sich mit agilem Qualitätsmanagement in der Praxis beschäftigt. Auch unsere Online Seminarreihe Upgrade-Training Digitalisierung – Trends & Praxis-Check nimmt einen Abstecher in die Gefilden kultureller Aspekte: Im Modul „Digital Leadership“ (Modul 7) gehen wir auf die Anforderungen im Leadership virtueller Teams – also auch darauf, wie Führung in Zeiten von Homeoffice ausgeprägt sein kann.

Was mir noch wichtig zu betonen ist: Es gibt ja nicht DIE eine Unternehmenskultur, und ich bin auch wenig skeptisch gegenüber der modischen Kür einer für alle geltenden „besten“ Kulturform: Vielmehr wird es so sein, dass in unterschiedlichen Unternehmensbereichen und bei unterschiedlichen Anforderungen völlig zurecht und völlig sinnvoll unterschiedlich „getickt“ wird. Das zu erkennen und diese kulturelle Vielfalt zu nützen bedarf eines kulturellen „Fingerspitzengefühls“ – gepaart mit dem Wunsch nach und der Offenheit zu ständiger Anpassung und Verbesserung.

Zu guter Letzt: Was möchten Sie Unternehmen mitgeben?

Michael Lucyshyn: Unternehmenskultur ist ein „weiches“ Thema, aber „harte Arbeit“ – die freilich in zunehmendem Maß einen „feinen Unterschied“ ausmachen könnte.

Anni Koubek: Während immer von Kund*innenorientierung im Qualitätsmanagement gesprochen wird, ist es künftig noch wichtiger auch auf die Mitarbeiter*innenorientierung zu achten. Denn nur begeisterte Mitarbeitende können letztendlich wiederum Begeisterung für begeisterte Kund*innen ausstrahlen.

Unsere Expert*innen

Team

Frau Mag. Dr. Anni Koubek

Prokuristin Branchenmanagement Medizinprodukte

Netzwerkpartner*in

Herr DI Michael Lucyshyn

Netzwerkpartner, Produktexperte Six Sigma und Statistik

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